Judasbilder
Ein Blick in die Vielschichtigkeit von Gut und Böse
Predigttext | Johannes 13, 21 - 30 (nach dem neuen Perikopenentwurf) |
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Kirche / Ort: | St. Martinskirche / Spenge |
Datum: | 14.02.2016 |
Kirchenjahr: | Invokavit (1. Sonntag der Passionszeit) |
Autor: | Pfarrerin Brigitte Janssens |
Predigttext (nach dem neuen Perikopenentwurf): Johannes 13, 21 - 30 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
21 Als Jesus das gesagt hatte, wurde er betrübt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. 23 Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus liebhatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu. 24 Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. 25 Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? 26 Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. 27 Und als der den Bissen nahm, fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! 28 Aber niemand am Tisch wusste, wozu er ihm das sagte. 29 Einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. 30 Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.
Zum Kirchenjahr
„Die Werke des Teufels“(1. Joh 3, 8b) sind Thema des 1. Sonntags der Passionszeit. Der Entwurf zur neuen Gestaltung der Perikopenordnung sieht für den Sonntag Invokavit mit zwei neuen Predigttexten in den Reihen III (Joh 13, 21-30) und V (Hiob 2, 1-13) eine thematische Zuspitzung und zugleich Erweiterung des Themas vor. Die Werke des Teufels stellen sich dar als Versuchungen, denen sowohl der Gottessohn als auch die Menschenkinder ausgesetzt sind. Als Geschöpfe Gottes sind die Menschen dennoch keine Marionetten in Gottes Hand, die seinem Willen - in allem vorher bestimmt - ausgeliefert wären. Herausgefordert sind sie, auf ihrem Lebensweg im Horizont ihres Glaubens und ihres Gottvertrauens Entscheidungen zu treffen und Haltungen zu entwickeln, die die Möglichkeit von Scheitern und Schuld in sich bergen. Umso deutlicher und drängender wird die Notwendigkeit von Erlösung und Vergebung, die mit dem Kreuzestod Jesu zur Vergebung aller Sünden ermöglicht wird.
Exegetisch - homiletische Vorüberlegungen
Mit Aufnahme der Erzählung vom letzten Abendmahl rückt die Person des Judas in den Mittelpunkt. Als vom Satan versucht, ja heimgesucht, erscheint er als der Verräter Jesu und der Gemeinschaft der Jünger, im Kontext der johanneischen Theologie gar als Rechtfertigung für den tiefen Graben, ja die Feindschaft von Juden und Christen, die sich auf das Grausamste durch die Jahrhunderte hindurchzieht. Doch ist es eben diese Mittelpunktstellung, mit der Judas auf sich aufmerksam macht. Wer war er als Jünger wirklich? Verräter oder Vertrauter? Werkzeug im Heilsplan Gottes oder Christusmörder? Viele Autoren in Theologie und Literatur sind dieser Frage nachgegangen. Damit haben sie den Weg bereitet und eröffnet, ein starres Judasbild um anthropologische und theologische Facetten zu erweitern, die - selbst wenn man Walter Jens mit seinem Anliegen einer Seligsprechung des Judas nicht folgen mag – umso tiefer deutlich machen, was uns Menschen mit dem Kreuzestod Jesu an Vergebung von Schuld und an Erlösung geschenkt ist.
Literatur
Eugen Drewermann, Das Johannes-Evangelium. Bilder einer neuen Welt. Zweiter Teil: Joh 11 – 21, Düsseldorf 2013. - Walter Jens, Ich, ein Jud: die Verteidigungsrede des Judas Ischariot, 2004 zitiert nach: Karl-Josef Kuschel, Jesus im Spiegel der Weltliteratur, Düsseldorf 1999, S. 271-281. - Eric-Emmanuel Schmitt, Das Evangelium nach Pilatus, Frankfurt am Main 2005.
Lieder
"Ist Gott für mich, so trete" (EG 351, 1-4) "Ein feste Burg ist unser Gott" (EG 362) "Ach, bleib mit deiner Gnade" (EG 347)