Predigt

"Wem gehört dieser Park?"

Alles, was wir sind und haben, ist nur geliehene Gabe

PredigttextMarkus 12,1-12
Kirche / Ort:Johanneskirche / Johannes-Diakonie 74821 Mosbach
Datum:01.03.2015
Kirchenjahr:Reminiszere (2. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pfarrerin Birgit Lallathin

Predigttext: Markus 12, 1 – 12 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Und Jesus fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen anderen Knecht: Den schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte noch einen anderen, den töteten sie, und viele andere: Die einen schlugen sie, die anderen töteten sie. Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn, den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe, kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22f): „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsere Augen“? Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk, denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Hinführung zur Predigt, exegetische und homiletische Vorüberlegungen

I.

Markus 12,1-12 (und seine synoptischen Par. Matthäus 21,33-46, Lukas 20,9-19): Ein hartes Gerichtswort in der Passionszeit! Der „Liebe Gott“ zeigt, dass er auch der „Ganz Andere“ sein kann, dass es möglich ist, dass Gott die lang strapazierte Geduld ausgeht. Selbstgewissen, überheblichen und gottvergessenen Zeitgenossen wird die Perspektive gerade gerückt: Ihr Menschen meint, mit dem Geschenk „Schöpfung“, die ihr als Leihgabe erhalten habt, tun und lassen könnt, was ihr wollt? Ihr seid dem Geber der Gaben keine Rechenschaft schuldig? Diesen (und vielleicht uns allen!) wird ein Spiegel vorgehalten, sich in den korrupten und mörderischen Weingärtnern wiederzuerkennen. Vordergründig lässt sich die Botschaft des Predigtwortes leicht in ein Gerichtswort über das Volk Israel lesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die heute vorliegende Fassung in der massiven Auseinandersetzung der jungen christlichen Kirche mit der Synagogengemeinde entstanden.

Kundigen Hörern und Lesern (die damaligen „Schriftgelehrten“) fällt sofort die große Nähe zu Jesaja 5,1-7, das Weinberglied des Propheten Jesaja auf. Eindeutig ist das Gerichtswort bei Jesaja auf die Trägheit des Gottesvolkes zu lesen: Der Weinberg, der trotz großer Mühe des Weinbergbesitzers keine gute Frucht trägt, ist es nicht Wert, erhalten zu bleiben. Der Weinbergbesitzer wird ihn in seiner Enttäuschung aufgeben. Der gute Ertrag, den der Weinberg einbringen sollte, wird als Gerechtigkeit und Einhalten der Weisungen Gottes verstanden. Wo Menschen stattdessen Rechtsbruch üben, hält auch Gott sich nicht an die Fürsorge für sein Volk, sondern übergibt es den Fremden. Der Rechtsbruch trägt sein Urteil schon in sich. Dies eingedenk führt das Gerichtswort bei Markus noch darüber hinaus:

Der Weinbergbesitzer pflegt seinen Weinberg nicht mehr selber, sondern hat ihn Pächtern zur Pflege überlassen. Sie sind es, die die gerechte Pacht verweigern, rohe Gewalt anwenden sogar zu Mördern an den Boten des Besitzers werden. Zuletzt wollen diese Kriminellen sogar das Besitzverhältnis umkehren, sie ermorden den Erben. Nun ist jede Möglichkeit zur Wiedergutmachung vertan, die Weingärtner haben ihr Leben verwirkt und der Weinberg wird anderen, besseren Pächtern übergeben. Der Mord an dem Erben unterscheidet sich jedoch deutlich vom Tod Jesu, so wie ihn auch Markus versteht: Es ist hier ein bloßer Raubmord aus Besitzgier, die Anmaßung der Weingärtner, sich das Erbe anzueignen, entspricht in keiner Weise einem Selbstverständnis der jüdischen Gemeinde, ist hier eine Verleumdung, sollte sie so gedeutet werden. Kein Erlösungstod, keine Sühne, keine Rettung durch die Auferstehung Jesu wird hier ausgesagt.

In der Komposition durch Markus (und die Synoptiker) erscheint ein deutendes Psalmwort ( Ps 118,22f) als erklärender Zusatz, wirkt allerdings in der Logik der Gleichniserzählung aufgesetzt, wo der Weinbergbesitzer den Tod seines Sohnes durch ein hartes Gericht rächt. Die christliche Gemeinde erscheint als Rechtsnachfolger des ursprünglich erwählten Volkes, das aus eigenem Ungehorsam das Gericht verschuldet hat. Diese harte Zuordnung ist nur aus der Entstehung des Markusevangeliums zu verstehen und nur historisch nachzuvollziehen, wenn die Zerstörung des Tempels und der Verlust der Eigenständigkeit des Volkes Israel als Gottes Gericht gesehen werden. Folgerungen für die Predigt:

II.

Prediger oder Predigerin müssen sich hüten, in die Klischees des 1. nachchristlichen Jahrhunderts zu verfallen. Antijudaismus hat zu lange blind gemacht für den harten Anspruch des Gleichnisses an alle, die sich bis heute zum Volk Gottes zugehörig fühlen. Christ und Christin heute sind angefragt, dem Geber aller Gaben Rechenschaft über ihr Leben zu geben. Wer das Wort auf eine schlichte Deutung auslegt: Hier die Guten, dort die Bösen, verfällt der Selbstgerechtigkeit. Im Gegenteil: Gerade der, der weiß, dass aller Besitz, materiell, körperlich oder geistig nur zu Nutznießung übergeben ist, der weiß, dass Gott Folgerungen aus seinem Bund mit Menschen, dem alten wie dem neuen Bund, erwartet, soll sich in der Bußzeit / Passionszeit fragen lassen: Werde ich dem Anspruch Gottes gerecht oder bin ich selbstgerecht und nur auf eigenen Vorteil aus? Ist mir klar, dass es Gottes gutes Recht ist, Resultate für seine Gaben zu erwarten?

Bestimmt wird es problematisch, den Text auf eine Werkgerechtigkeit hin zu verstehen. Doch eigentlich wird ja gerade im harten Gerichtswort deutlich, dass alle „Pacht“ oder „Frucht“ (bei Jesaja) kein generöses gutes Werk ist, sondern einfach „Pflicht und Schuldigkeit“. Heil kann es nicht erwirken, Selbstgerechtigkeit nicht fördern. Wer Gott nahesteht, die Botschaft in sein tägliches Leben mit hineinnimmt, kann nicht anders als Gerechtigkeit üben, den Frieden fördern, Ausgleich zwischen Mensch und Umwelt suchen. Trost findet sich bei Markus 12,1-12 wenig. Der Prediger und die Predigerin werden im weiteren Kontext der biblischen Botschaft auf den guten Beistand Gottes, seine Mitmenschlichkeit in Jesus Christus verweisen und selber vertrauen.

Fürbittengebet

(Am Sonntag Reminiszere wird in den Kirchen besonders an die um ihres Glaubens willen Verfolgten gedacht und für sie gebetet. Das Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden schrieb in einem Kondolenzschreiben an die koptische Kirche aus Anlass der grausamen Ermordung koptischer Arbeiter in Libyen folgendes Fürbittengebet:)

Gott des Friedens, wir bitten dich für unsere koptischen Brüder und Schwestern, die Opfer terroristischer Gewalt geworden sind und für ihre Familien. Sei bei ihnen in ihrer Angst und Trauer. Stärke und schütze die Menschen aller Religionen, die ihres Glaubens wegen verfolgt und bedrängt werden. Sei bei denen, die auf der Flucht sind. Und die bei uns Zuflucht suchen, lass freundliche Aufnahme durch uns erfahren.

Lieder

"Die ganze Welt" (EG 360) "So jemand spricht" (EG 412) "Die Erde ist des Herrn" (EG 659, Reg.teil Baden, Elsass und Lothringen, Pfalz)

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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