"Warten ist eine große Tat"
Geduld ist mehr als Untätigkeit
Predigttext | Jakobus 5,7-8 |
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Kirche / Ort: | Dortmund |
Datum: | 06.12.2015 |
Kirchenjahr: | 2. Sonntag im Advent |
Autor: | Pfarrer i.R. Johannes Gerrit Funke |
Predigttext: Jakobus 5,7-8 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.
Exegetische Skizze
Einige der Verben des Textes betonen eine eher passiv-rezeptive Haltung: „geduldig sein“, „empfangen“ („makrothymein“; „lambanein“). Doch die Wendung: „stärkt eure Herzen“ („sterixate tas kardias hymon“) trägt auch eine durchaus aktive Beimischung. Die auf das Kommen des Herrn ausgerichtete, ausharrende Geduld, ist kein bloß passives Abwarten. Vielmehr hilft sie, heilsames Tun von solchem zu unterscheiden, das jederzeit Tunnelblicke annehmen kann, aus denen sich zwanghafte Verhaltensmuster entwickeln. Diesen Gedanken versuche ich, in der Predigt aufzunehmen und ihn mit der Zusage von dem, der als Befreier kommen wird, welcher unter uns auch Gottes Recht und Wahrheit aufrichten wird, wie mit einem Leitmotiv zu verweben.
Zur Verdeutlichung greife ich auf den Roman „Verlust“ zurück, den Paul Harding geschrieben hat, wobei die Erwähnung von Hiob als Vorbild der Geduld in Jak 5, 11 einen zusätzlichen Anreiz dazu gibt. Die Zitate aus dem (im Luchterhand Literaturverlag 2015 erschienen) Buch stammen von den Seiten 5, 113, 271 und 248.
Überhaupt tut man gut daran, den ganzen Sinnabschnitt Jak 5, 7-11 in die Meditation einzubeziehen. Er enthält noch andere kostbare Perlen. In V. 11 findet sich zur Charakterisierung von Gottes Barmherzigkeit ein Adjektiv, das im gesamten NT einzig und allein an dieser Stelle vorkommt: „polysplangchnos“ – man könnte übersetzen: „vollbarmherzig“ oder „mehrfachbarmherzig“. Ihm an die Seite gestellt ist ein weiteres, das sich sonst nur noch in Lk 6, 23 einmal findet. Die so entstehende, im NT singuläre Gottesprädikation vertritt im Jakobusbrief die tragende Kraft der Heilszusage, indem sie Gottes Barmherzigkeit als ganz und gar einzigartig hervorhebt. Dann nimmt auch die Erwähnung des vor der Tür stehenden Richters (V. 9), wie sie im NT fester Bestandteil der Erwartung der Parusie des Menschensohnes ist, eine befreiende Gestalt an.
Es geht weniger darum, dass über uns gerichtet wird, als dass unter uns Gottes Recht und Wahrheit aufgerichtet werden. Das stärkt den Rücken, um sich hier und heute schon schmerzlichen Aufgaben ehrlicher, offener und wahrhaftiger zu stellen, als es uns unsere untereinander konfliktuösen Tunnelblicke nahelegen.