Predigt

Einheit

Sanftmut, Geduld, Hoffnung - keine überholten Tugenden

PredigttextEpheser 4,1-6
Kirche / Ort:78234 Engen
Datum:12.10.2014
Kirchenjahr:17. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrer Michael Wurster

Predigttext: Epheser 4,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, würdig zu wandeln nach der Berufung, mit der ihr berufen seid, 2 in aller Demut, Sanftmut und Geduld; ertragt einander in Liebe, 3 und strebt danach, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens. 4 Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung durch eure Berufung. 5 Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, 6 ein Gott und Vater für alle, der über alle ist und durch alle und in allen.

Exegese

Zur Literarkritik des Epheserbriefes

Wie Sie vermutlich wissen, ist der Epheserbrief sehr umstritten, und dies in dreifacher Hinsicht:

1. Adressierung

Die Ortsangabe ἐν Ἐφἐσῳ fehlt in den ältesten Handschriften. Über den Grund gibt es viele Hypothesen. Die gängigste geht von einem Rundschreiben an die Provinz Asia aus. Die spätere Bezeichnung „an die Epheser“ würde sich entweder daher erklären, dass Ephesus die Hauptstadt der Provinz Asia war (Schnelle S. 353) oder dass der Brief in Ephesus als Sitz der Paulusschule abgefasst wurde (Gnilka S. 6). Man nimmt also an, dass die spätere Zuschreibung ἐν Ἐφἐσω einen konkreten historischen Anhaltspunkt hat.

2. Abhängigkeit vom Kolosserbrief

Aufgrund der großen terminologischen Übereinstimmung mit dem Kolosserbrief wird eine literarische Verwandtschaft beider Briefe stark angenommen. Dabei gilt der Kol. als der ältere, der Eph. als der jüngere Brief, sodass man davon ausgeht, der Vfr. des Eph. habe den Kol. als Vorlage benutzt.

3. Verfasserfrage

Aufgrund vielfältiger Indizien geht die Mehrheit der Exegeten davon aus, dass der Eph. ein pseudepigraphisches Schreiben darstellt. Immerhin nehmen viele an, dass der Brief aus der Paulusschule stammt. Als wichtigste Gründe für die pseudepigraphische Verfasserschaft werden genannt: 35 Hapaxlegomena, verklärende Darstellung des paulinischen Wirkens, veränderte Ämterliste, theol Unterschiede: Hervortreten der Ekklesiologie und sehr präsentische Eschatologie. Außerdem keine Polemik, keine Auseinandersetzung mit Gegnern.

Theologische Grundgedanken

1. Erhöhungs- und Herrschaftschristologie

Christus thront zur Rechten des Vaters und erfüllt die ganze Welt mit seinem Wirken, auch die zwischengeschalteten Bereiche der Engel und Dämonen auf mittlerer und der Menschen- und Totenwelt auf unterer Ebene. Christus hat alle erlöst und auch die Mauer zw. Juden- und Heidenchristen eingeebnet.

2. Ekklesiologie

Christus ist das Haupt der Kirche; diese ist σῶμα Χριστοῦ. Als solcher ist sie „der von Christus eröffnete und durchwaltete Heilsraum“. (Schnelle 359) In der Gestalt und dem Handeln der Kirche soll das Evangelium sichtbar werden.

3. Präsentische Ekklesiologie

Die Parusieerwartung ist weitgehend verlorengegangen. Christus hat den Sieg bereits errungen, und die Kirche befindet sich schon im Heilsraum bzw. in der Heilszeit. Allgemein werden aber Zeitbegriffe zurückgedrängt und durch Raumkategorien ersetzt.

4. Ethische Impulse

Das ethische Interesse folgt den bekannten Bahnen der Paulus-Paränese, setzt aber eigene Akzente durch eine nachpaulinsche Haustafel und das Bild von der Waffenrüstung des Christen.

Epheser 4, 1-6 V. 1: • Mit diesem Vers beginnt der paränetische Teil des Eph. παρακαλῶ ist weit mehr als nur Mahnen: Bitten, Beschwören, Trösten, Zusprechen und Mahnen. • Paulus wird als Gefangener vorgestellt. → Gilt den Vertretern der Echtheit des Briefes als Argument für Ihre Sicht. Bleibt ein Ärgernis für pseudepigraphische Verfasserannahme. Mit apost. Autorität „wird hier die Mahnung zur Una sancta legitimiert“. (Gnilka S.196) • „Würdig des Rufes wandeln“: Wandeln umfasst das ganze Leben mit allen Bereichen. Der Berufung oder dem Ruf folgen meint: Das Verhalten soll an dem Heilsraum ausgerichtet sein, indem sich die Kirche schon befindet. V. 2: • Traditionsgeschichtl. gesehen werden hier drei Tugenden aufgerufen, die anderswo auch vorkommen. → Anknüpfung an Kol. 3, 12f. Auch in der Qumran-Literatur sind gerade Demut, Sanftmut und Geduld häufig genannt. Diese drei Tugenden werden hier aufgeführt, weil sie besonders für die Einheit wichtig sind: Sie bezeichnen das Gegenteil von Egoismus, das Entgegenkommen zum anderen. Mit der Nennung der Liebe als wichtigster Tugend wird eng an Paulus angeknüpft. Der Satz „ertragt einander in Liebe“ ist programmatisch für den ganzen Abschnitt. V. 3: • Einheit, ἑνὀτης, ist der Zentralbegriff dieser Paränese. Nirgends im NT wird er in größerer Dichte genannt. Wir wissen nicht, was die Einheit der Christen in der Zeit des Eph. bedroht hat. Klar ist aber, dass es bereits ein gewisses ökumenisches Bewusstsein gegeben hat, was nirgends deutlicher ausgesprochen wird wie an dieser Stelle. V. 4: • Sieben Einheitsformeln präzisieren die Vorstellung von der Einheit der Kirche, wie sie der Vfr. des Eph. sieht. Sie werden in der Form einer climax ascendens aufgelistet. Die erste Trias Leib-Geist-Hoffnung bezieht sich auf die Kirche. Leib weist auf Christus als Haupt der Kirche hin und meint auch die sichtbare Gestalt, Geist ist ein Verweis auf den Heiligen Geist, der die Einheit zw. Heiden und Juden möglich macht; und Hoffnung ist die eschatol. Ausrichtung und Verbindung der Glaubenden. V. 5: • Mit der Trias Herr-Glaube-Taufe werden Abgrenzungen der christlichen Gemeinde von ihrer paganen und jüdischen Umwelt vorgenommen: Herr bezieht sich auf den Kyrios-Titel des alttestamentlichen Gottesnamens, deutet ihn aber auf Jesus um. Der Glaube an diesen Kyrios Jesus ist aber das Alleinstellungsmerkmal der Christen und schreibt dem Gottessohn das Erlösungswerk des Vaters zu. Die Taufe war damals ein Bekenntnis-Akt des zum Glauben Gekommenen. V. 6: „Den Abschluß der Proklamation der Einheit bildet die εἶς θεὀς-Formel. Der eine Gott begründet wie der eine Kyrios die Einheit der Kirche.“ (Gnilka S. 203) Diese Formel begegnet auch in zeitgenössischer Literatur, aber philosophisch verstanden in pantheistischem Sinn. Der christliche Monotheismus schließt an den jüdischen an, wenn er auch anders interpretiert wird. Hier wird auf das Schöpferhandeln des Vaters, seine Allgegenwart und Allwirksamkeit abgezielt. Darin ist er Herr der Welt im Allgemeinen und Herr der Kirche im Besonderen.

Literatur: Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 5.Aufl., Göttingen 2005. - Joachim Gnilka, Der Epheserbrief, HThKNT, 4.Aufl., Freiburg 1990.

Stichworte • Einheit in Vielfalt • ein Kopf – viele Glieder • Einheit der Kirche – fehlende Einheit

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